Es ist offensichtlich eine Ungerechtigkeit, seine Wohnstätte zu verlieren, und weiterhin dafür bezahlen zu müssen.
Doch ein spanischer Richter verteidigt diesen Zustand: „Es gibt viele Optionen, um zu vermeiden, dass der Schuldner sein Haus verliert und die Bank ein unverkäufliches Haus gewinnt.“
Wer in Spanien nicht zahlt, hat das ganze Leben Schulden, da er mit seinem ganzen derzeitigen und künftigen Eigentum haftet. Ein spanischer Richter stellt sich einem Gespräch.
Streitfälle über familiäre Überschuldungen nehmen in Spanien zu und, und es ist derzeit auch kein Ende in Sicht. Sind den Gerichten rechtlich die Hände gebunden?
Jene, die wehrlos sind, sind die Bürger. In unserem Land gibt es keine angemessene Regelung der Überschuldung. In ganz Europa besteht die Möglichkeit, dass ein Schuldner nach dem Prozess in das Wirtschafts- und Arbeitsleben ohne Schulden zurückkehrt. Und in Amerika erhalten Schuldner eine zweite Chance. Sie glauben zu Recht, dass Unternehmern nicht alles sofort beim ersten Mal gelingt. Aber in Spanien bezahlt man sein ganzes Leben lang, da die Norm des Zivilgesetzbuches aus dem 19. Jahrhundert nie reformiert wurde. Diese Norm besagt, dass man mit allen derzeitigen und künftigen Eigentümern haftet. Ich denke, dass wir uns an die EU anpassen müssen.
Können die Konsumenten das Kleingedruckte auf den Kreditverträgen lesen?
Die derzeitige Wirtschaftssituation zeigt, dass das Kleingedruckte kaum beachtet wird. Daher gibt es in der EU die Bemühungen, den Konsumenten zu schützen. In unserem Land ist der Schutz ein verfassungsrechtlicher Auftrag, der durch eine Vielzahl von Gesetzen geschützt wird. Aber wenn diese Gesetze missachtet werden, kann man sich nur an den Verbraucherschutz oder an die Gerichte wenden. Dies machen mehr und mehr Bürger, aber der Prozentsatz jener, die die Kosten und Mühen scheuen, um solche Schutzmechanismen in Anspruch zu nehmen, ist immer noch sehr hoch.
Man sagt, dass viele Personen jahrelang dachten, dass sie ihre Wohnstätte verlieren würden, wenn sie die Hypothek nicht bezahlen könnten. Viele denken aber nicht daran, dass sie weiterzahlen müssten. Ist diese Situation gerecht?
Auf keinen Fall. Es ist ungerecht. Das Schlimme an der derzeitigen Regelung ist es, dass jemand seine Wohnstätte verliert und aber gleichzeitig noch die ausständige Kreditsumme schuldig bleibt. Die Ungerechtigkeit, seine Wohnstätte zu verlieren, obwohl man weiterhin dafür bezahlt, ist so offensichtlich, dass man sich wundert, warum diese Gesetze nicht geändert wurden. Ein legislativer Kompromiss ist nötig, um Betroffene der Krise zu schützen, da sie keinesfalls dafür verantwortlich sind, was passiert.
Es gibt Urteile, welche die Schulden erlassen. Wird dieser Weg weiterhin eingeschlagen, so wie es die Plattformen gegen die Zwangsräumungen fordern?
Während der Krise wird es weiterhin einen großen Anteil an Zahlungsausfällen geben. Wenn die Kredite aufgrund von plötzlichen Ereignissen wie Arbeitslosigkeit, Krankheiten in der Familie etc. nicht bezahlt werden können, ist es schwierig, die Wohnstätte behalten zu dürfen. Aber immer mehr Gerichte finden es missbräuchlich, dass die Kreditgeber die Wohnstätte erhalten und dennoch die restliche Kreditsumme fordern. Die Gerichte passen sich an die soziale Realität an und das sollte das Parlament ebenfalls machen.
Verteidigen die Richter die Konsumenten?
Die Richter müssen nach dem Gesetz handeln, und dieses lässt wenige Lücken. Sie müssen sich aber an die Verfassung halten, welche besagt, dass die Gerechtigkeit mehr Wert ist als unsere Rechtsordnung. In der Krise gibt es sehr viele missbräuchliche Verträge und diese verursachen einen Ausschluss aus der Gesellschaft. Daher benützen die Anwälte rechtliche Taktiken, wie fehlendes Einverständnis, Rechtsmissbrauch, Nichtigkeit des Konsumkredites, ungerechte Bereicherung, Ungleichgewicht der Leistungen etc. Und in vielen Fällen nehmen die Richter diese Verteidigung an und vermeiden somit Ungerechtigkeiten.
Gibt es vom Gesetz her Wege, um die Situation zu verbessern?
Es ist kompliziert. Die Reform 2010 hat eine kleine Besserung gebracht. Das Hypothekengesetz besagt, dass jeder, inklusive der Bank, die die Hypothek vollstreckt, die Wohnstätte für einen lächerlichen Preis übernehmen darf. Es ist quasi eine Beschlagnahmung: Sie erhalten das Haus für einen Euro und fordern weiter die restlichen Kreditsummen ein. Aber viele Notare weigern sich, solche Versteigerungen zu machen.
Könnte es eine Lösung sein, die familiären Schulden wie in Frankreich gesetzlich einzuschränken?
Zweifellos. Die französische Erfahrung zeigt, dass dies eine angemessene Lösung ist und Hoffnung für die verschuldeten Familien bringt. Die Familien verpflichten sich, einen Zahlungsplan einzuhalten, der ihren geringeren Einkommen entspricht und sie erhalten die Möglichkeit, dass sie ihre Schulden abbezahlen.
Was können die Banken machen, welche bisher nichts getan haben?
Sie müssen unbezahlte Kredite neu verhandeln, mit dem Schuldner vermitteln bevor es zu einer Vollstreckung kommt, sie müssen geringere Monatsraten, welche der Schuldner auf sich nehmen kann, zulassen. Sie müssen Zahlungsfristen von Monaten oder Jahren festsetzen, bis der Käufer wieder bezahlen kann. Sie dürfen Kunden keine schädigenden Produkte anbieten und die Informationspflicht einhalten. Sie müssen schädigende Klauseln weglassen und nicht weiterhin die Hypotheken zur Kundenbindung verwenden.
Was würden Sie machen?
Ich würde Zahlungsfristen erlauben, solange der Schuldner die Instandhaltungskosten für die Wohnstätte und Steuern sowie Versicherungen bezahlt, bis er wieder einen Arbeitsplatz gefunden hat. Und wenn die Bank die Wohnstätte bekommt, sollte dem Schuldner gestattet werden, diese weiterhin zu geringen Kosten zu nützen. Es gibt hier viele Optionen.
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