Die Zahlungsabwicklung im Internet weckt neue Begehrlichkeiten.
Internetfirmen, Banken, Netzanbieter, Einzelhändler – alle wollen ein Stück vom künftigen E-Commerce-Kuchen. Die Revolution des Mobilfunks und die Möglichkeit den Einzelhandel zu verändern, wirken als Triebkräfte.
Der Markt der Online-Bezahlung feiert die Rückkehr der großen Ambitionen. Mobilfunkanbieter, Banken, Einzelhandelskonzerne, Internet-Riesen und zahllose Startups – alle wollen sie ein Stück vom Kuchen. Der E-Commerce verzeichnete im letzten Jahr in Frankreich einen Zuwachs von 24% und erreichte ein Volumen von 31 Milliarden Euro. Wenngleich weiterhin die Kreditkartenbetreiber den Markt beherrschen (83% der Transaktionen), könnte sich das Blatt bald wenden.
Denn das mobile Internet eröffnet Nichtbanken neue Chancen, die seit einem Jahrzehnt vergebens auf die Gelegenheit warten, in diesen Markt einzusteigen. Mit ihrem Smartphone tragen die Kunden stets und ständig einen Chip bei sich, der dieselbe Funktionalität besitzt wie der einer Kreditkarte, und können zudem jederzeit online einkaufen und sich dabei ausweisen. Damit lässt sich der Vorgang des Kaufens neu gestalten und so die Wertschöpfungskette umkrempeln, ohne dass man hierfür Registrierkassen austauschen müsste. Alles wird möglich.
Also versucht jeder sich eine günstige Startposition zu sichern, wenngleich zunächst nichts oder fast nichts passiert. Dabei hat jeder seine Beweggründe: Die Einzelhändler wollen geringere Bearbeitungsgebühren für Zahlungen entrichten, indem sie eine Direktüberweisung per Handy einführen. Die Markteinsteiger wollen ihrerseits Transaktionsgebühren abgreifen. Und all diejenigen Akteure, die auf die Beziehung zum Kunden angewiesen sind – von den Mobilfunkanbietern über die Online-Shops bis zu den Banken – wollen diesen stärker an sich binden. Der Gedanke, dass Google oder Apple sich mit Google Checkout bzw. iTunes einen Platz im Online-Zahlungshimmel sichern könnten, wurmt die traditionellen Branchen.
Buyster gegen Visa und Mastercard
Frankreichs drei große Mobilfunkanbieter sind als erste zur Tat geschritten. Orange, SFR und Bouygues Telecom gaben im Februar die Gründung eines Joint Ventures namens Buyster bekannt. Ein weiterer Anteilseigner ist der Spezialist für Zahlungssoftware Atos Origin. Sie hoffen, dass viele Online-Händler auf ihrer Webseite neben Paypal, Mastercard oder Visa auch Buyster als Zahlungsmittel anbieten werden. Und sie gehen davon aus, dass das Vertrauen ihrer Vertragskunden sie bald zur Nummer eins der Handy-Zahlung machen wird.
Sie sind jedoch nicht die einzigen. Kandidaten wie Buyster stehen bei der französischen Zentralbank Schlange um eine Zulassung als Zahlungsabwickler zu erhalten. Zahlreiche Bewerbungen soll es auch für den neuen Status eines Herausgebers elektronischen Geldes geben, für den weniger strenge Auflagen zur Geldwäschebekämpfung gelten und für den ab dem 1. Mai Genehmigungen erteilt werden. „Das interessiert viele: Anbieter von Geschenkgutscheinen, innovative Datendienstleister, findige Internet-Händler, die sich von den Banken emanzipieren wollen, und sogar Banken, die bereit sind hierfür neue Tochterfirmen zu gründen,“ so ein Branchenkenner.
Die Schwergewichte der Finanzwelt halten ihre Karten noch verdeckt. Unseren Quellen zufolge versucht Crédit Agricole einen Alleingang, hat jedoch die beantragte Zulassung für Fia-Net nicht erhalten. Diese 2008 übernommene Tochterfirma, deren Spezialgebiet die Versicherung des Internethandels ist, will einen Neuanfang wagen. Sie könnte, wie bereits Paypal, in Luxemburg Zuflucht suchen.
Empörung bei den Banken
Der amerikanische Spezialist für elektronisches Geld ist erst nach der Übernahme durch Ebay ganz groß rausgekommen. Paypal hat einen weltweiten Marktanteil von 18% beim E-Commerce. Die Banken ereifern sich, weil das Unternehmen trotz seiner 5 Millionen Kunden in Frankreich nicht den strengen Regeln des Landes, wie z.B. der doppelten Identitätsprüfung (zwei Schritte mit Passworteingabe) unterliegt. Diese Vorsichtsmaßnahmen hält der Chef von Paypal Frankreich, Alexandre Hoffmann, für übertrieben: „Nirgendwo auf der Welt gilt ein Standard wie ihn die Banque de France durchzusetzen versucht.“
Die Ebay-Tochter, die 2010 einen Umsatz von 60 Milliarden Euro erzielte, hat nach Ansicht Hoffmanns gründliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen: „Unsere Verluste durch Betrug machen 0,15% aus. Dafür brauchen wir uns nicht zu schämen. Wir haben Verfahren geschaffen um dubiose Einnahmen aufzuspüren und diese zu überprüfen.“ Welcher Marktneuling kann schon 1500 Mitarbeiter vorweisen, die in Dublin, Omaha und Shanghai ständig die Transaktionen überwachen.
Kurz gesagt, ein erbitterter Kampf zeichnet sich ab und das Sprießen der spezialisierten Startups darf nicht darüber hinwegtäuschen dass der Markt von den großen Akteuren beherrscht werden wird. Trotz der allgegenwärtigen Rivalitäten werden sich Allianzen bilden, vor allem um Paypal. Denn, wie ein Bankier erklärt, handelt es sich um „eine netzwerkartige Industrie, die eher Kooperation als Wettbewerb benötigt.“ Das könnte einige Überwindung erfordern.
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