China befindet sich derzeit in einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruch.
Die Schlagzeilen US-amerikanischer und europäischer Zeitungen stehen immer öfter im Fokus des asiatischen Riesen. Der rasant wachsenden Mittelschicht, dem aufopfernden Engagement in Afrika, und seit kurzem auch dem überraschenden Angebot Europa beim Bewältigen der Krise zu helfen, wird dabei die grösste Aufmerksamkeit geschenkt.
Doch eine Sache wird dabei immer gerne vernachlässigt. Das Leben der jungen Chinesen in dieser aufstrebenden Nation scheint bisher noch nicht das Interesse der führenden Medien gewonnen zu haben. Anders in China selbst. Hier wird sehr offen über die Probleme und Schwierigkeiten der jungen Menschen im Land berichtet.
Beispielsweise in der chinesischen Tageszeitung Jinri Zaobao. In einem kürzlich erschienenen Artikel wird kritisch darauf hingewiesen dass heiratswillige Männer immer schwerwiegenderen Problemen gegenüberstehen. Der krasse Frauenmangel in China ist in Europa ja bereits bestens bekannt. Doch er ist nur ein Aspekt von vielen. Viel stärker bedrückt dem chinesischen Mann die chronische Kapitalarmut.
Die Zeitung hat herausgefunden dass sich der männliche Durchschnittschinese erst nach 22 Jahren eisernen Sparens eine traditionelle Hochzeit leisten kann. Unter dem „Eisernen Sparen“ versteht man dass man in diesen 22 Jahren nichts für Essen und Trinken bezahlt hat. Man berichtet dabei von einer „dramatischen Situation“ die die gesellschaftliche Ordnung Chinas gefährden könnte.
Die zwei Hauptgründe:
1. steigende Kosten für Hochzeitsfeiern
2. unerschwingliche Immobilienpreise
Eine 100 m2-Wohnung in der 7 Millionen Einwohner Stadt Hangzhou kostet beispielsweise 2 Millionen Yuan (220.000 Euro).
Für die Männer Chinas wird es daher immer schwieriger auf dem Heiratsmarkt zu bestehen, und eine Familie gründen zu können. Dabei muss man wissen dass die Hochzeit in China nicht einfach ein formeller Akt ist, sondern die eigene Familie das in China wenig entwickelte soziale Sicherungsnetz mehr oder weniger vollständig ersetzen soll. Das Eigenheim gilt daher als wichtiger Schutz vor den Unwägbarkeiten der Zukunft. Eigenheime sind in China weit verbreitet, dagegen haben Mietwohnungen in der Regel einen sehr schlechten Status. Ein Mann ohne Eigenheim hat daher am chinesischen Heiratsmarkt ganz miese Karten. Das ist auch der Grund warum das Eigenheim in den Kosten für die Hochzeit von den Chinesen mit eingerechnet wird.
Jungen heiratswilligen Chinesen, die nicht über die nötigen finanziellen Mitteln verfügen, bleiben oft nur zwei Möglichkeiten. Erstens sich in den finanziellen Ruin zu stürzen um die traditonelle Hochzeitskultur zu bewahren, oder zweitens sich einfach die Heiratsurkunde abzuholen, und auf eine Zeremonie inklusive Hochzeitsreise zu verzichten.
Schenkt man der chinesischen Zeitung Glauben, ist Besserung keine in Sicht. Die Immobilienpreise sind weiter im Steigen begriffen, und auch die Kosten für die Hochzeitsfeiern entwickeln sich eher in die Höhe als in die Tiefe. Die Teuerung betrug im letzten Jahr zwischen 10 und 20 Prozent.
90 Prozent der chinesischen Männer haben ein Jahreseinkommen von weniger als 200.000 Yuan (22.200 Euro). 44,6% davon verdienten sogar weniger als 50.000 Yuan im Jahr, also 5.550 Euro. Man sieht also dass der Anteil der Besserverdienenden eher gering ist.
Auf Grund dieser Tatsachen ist es nicht verwunderlich wenn die Chinesen immer öfter auf die traditionellen aber kostspieligen Hochzeiten verzichten. Man spart sich die vollständige Zeremonie, und holt sich nur noch die Heiratsurkunde ab. Nur etwa 33 Prozent der Chinesen können dieser Eheschliessung gar nichts abgewinnen. Die Tendenz dafür dürfte in den nächsten Jahren allerdings weiter starken sinken.
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