In Russland kann man viel Geld verlieren. Davon können vor allem jene ein Lied singen, die russischen Liebesbetrügern auf den Leim gegangen sind. Kreditheini.at berichtete erst kürzlich hier über: – Dating Scam. Ein kleine Gruppe macht damit nicht selten bis zu 5 Millionen Euro im Jahr. Und von diesen kleinen Gruppen gibt es in Russland unzählige davon. Man kann sich den gesamten jährlichen Schaden ungefähr in Gedanken ausmalen.
Doch nicht nur naive Liebesbedürftige laufen Gefahr in Russland ausgenommen zu werden. Selbst Kreditgeschäfte von grossen europäischen Banken können oft zum Fiasko führen. Ein konkretes Beispiel wurde mir nun von einem Russen eines Versicherungsunternehmens zugespielt. Der Artikel soll zeigen was für die Opfer alles möglich ist, und wie gut der ahnungslose Geschäftspartner jahrelang getäuscht werden kann.
Zwischen den Jahren 2005 und 2006 beginnt eine bekannte Schweizer Bank den Weizenhandel des russischen Unternehmens RIAS (RosInterAgroService) zu finanzieren. Im August 2010 beschliesst die russische Regierung einen Ausfuhrstopp von Weizen. Als offizielle Begründung wird der heisse Sommer und die Stabilisierung des russichen Marktes angeführt. Ob die offiziellen Begründungen der Realität entsprechen, oder ein Manöver der Regierung dahinter steckt, kann jeder selbst für sich entscheiden. Bis dahin liefen die Kreditgeschäfte jedenfalls perfekt und reibungslos ab. RIAS hatte das Geld von der Schweizer Bank bekommen, den Weizen exportiert, und die Kredite plus Zinsen zurückgezahlt.
Im August 2010 hatte die Bank bereits wieder einen neuen Kredit gewährt und ausbezahlt, doch nun war es nicht möglich den Weizen in das Ausland zu exportieren. Obwohl das Ausfuhrverbot nach 11 Monaten aufgehoben wurde, ging RIAS pleite. Die Bank wollte zumindest nun an den verpfändeten Weizen kommen, um noch zu retten was zu retten ist. Doch es gibt keinen Weizen! Auf Grund der Angaben eines externen Unternehmens, das die Weizenbestände kontrollieren sollte, müsste in den Silos und Häfen ca. 1 volles Schiff Weizen gelagert sein. Es ist aber kein einziges Weizenkorn vorhanden, und Untersuchungen ergeben dass nicht alle dafür vorgesehene Silos Weizen für RIAS gelagert hatten. Jahrelang wurde damit die Bank getäuscht. Da die Kredite aber bisher immer püntklich zurückgezahlt wurden, hat es auch niemanden gekümmert ob es die angegeben Mengen an Weizen wirklich gibt. Ermittlungen ergaben ebenso, dass viele Volumenbestätigungen gefälscht wurden. Doch wie konnte sich ein internationales renomiertes Unternehmen, dass die Weizenbestände kontrollieren sollte (das zweitegrösste der Welt in dieser Branche), dazu hinreissen lassen? Wie war das möglich? Wer trägt die Verantwortung? Bei diesen Fragen tappt man derzeit noch im Dunklen.
Wer trägt die Verantwortung für die gefälschten Berichte?
Das externe Unternehmen dass die Weizenmenge kontrollieren sollte, ist unter dem Namen „Control Union“ bekannt. Die Berichte über die Weizenmengen werden „Stock Reports“ genannt. Nach dem Vorfall hat Control Union alle regionalen Mitarbeiter in Novorossijsk gekündigt. Diese Stock Reports werden nur von einem Manager unterzeichnet. Es reicht also völlig aus nur eine Person zu bestechen, damit die Stock Reports nach den eigenen Wünschen angepasst werden. Derzeit verweigert das Chefbüro in Moskau jeden Kommentar dazu, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt.
Wie hoch ist der Schaden?
Der Schaden der Schweizer Bank liegt bei 20 Millionen Schweizer Franken. Das sind in Euro umgerechnet 16,6 Millionen.
Russischer Kreditgeber handelten klüger
Die Schweizer Bank war nicht der einzige Kreditgeber des russischen Weizenhändlers. Auch russische Banken beteiligten sich mit Krediten an den Geschäften. Doch die russischen Kreditgeber haben Immobilien und Silos zur Sicherstellung der Kredite genommen. Sie bekommen, wie es momentan aussieht, Geld zurück, und ihr Schaden wird sich in bescheidenen Grenzen halten.
Auch vor Gericht geniessen die russischen Banken gegenüber der Schweizer Bank einen nicht unbeträchtlichen Vorteil. Die Schweizer werden im Gerichtsverfahren als Gläubiger der dritten(!) Reihe zugelassen. Das bedeutet konkret, sie bekommen garantiert nichts. Das liegt aber nicht daran dass Russland ausländische Banken benachteiligen möchte, sondern dass Weizen eben kein Gegenstand der Sicherstellung ist. Man kann auf eine Sicherheit keinen Anspruch haben, wenn diese Sicherheit überhaupt nicht exisitiert. Hätte sich die Schweizer Bank bei den Sicherheiten auch an Immobilien gehalten, so wäre man als Gläubiger auch nicht in der letzten Reihe. Ausserdem gibt es ein russisches Gesetz dass Weizen überhaupt keiner Verpfändung unterliegen kann, selbst wenn er noch vorhanden gewesen wäre. Die Juristen der Schweizer Bank haben den Vertrag nämlich auf Basis des russischen Rechtes abgeschlossen.
Wie funktioniert der russische Weizenhandel?
Der russische Weizenhändler kauft den Weizen bei den Bauern billig ein, und verkauft ihn teuer weiter. Der Grund warum der Weizenhändler so günstig einkaufen kann, liegt daran, dass der russische Weizenhandel als sehr geschlossen gilt. Es kann nicht jeder der Geld, Lust und Laune hat in den russischen Weizenhandel einsteigen. Die Bauern sind also gezwungen ihren Weizen um sehr billiges Geld zu verkaufen. Sie haben sonst keine andere Möglichkeit ihre Ware an den Mann zu bringen. Ausserdem ist die planmässige Rückstellung der Mehrwertsteuer eine der profitbringendsten Elemente dieser Branche. Ohne den richtigen Kontakten ist es kaum möglich, die Rückstellung der Mehrwertsteuer zu bekommen.
Wer war die RosInterAgroService (RIAS)?
RIAS wurde am 23. Dezember 2002 vom Unternehmer Anatolij Khaak in Krasnodar gegründet. Das Gründungskapital betrug 600.000 Rubel (15.500 Euro), und der Tätigkeitsbereich umfasste den Grosshandel mit Getreide, Saatgut und Futter. Das Unternehmen hatte 620 Mitarbeiter beschäftigt. Der Monatsumsatz bewegte sich bei 16.890.945 Rubel (etwa 400.000 Euro).
Als erster Gesellschafter fungierte die GLINGROW HOLDING LIMITED mit 99 Prozent. Anschrift: Boumpoulinas, 15 POVEK BUILDING, Flat 301, Nicosia, Cyprus/(Zypern). Wie man sieht: völlig offshore. Begünstigter der GLINGROW HOLDING LIMITED ist Anatolij Khaak. Also jener Person welche die RIAS 2002 in Krasnodar gegründet hat, die auch Präsident und Gesellschafter der RIAS TRADING SA ist. Die RIAS TRADING SA hat jedoch ihre Anschrift nicht in Krasnodar, sondern in der Schweiz: Bnegamin Avenue 1, Lausanne. Die RIAS TRADING SA war der Grundkäufer der Weizenmengen, die von der RIAS in das Ausland verkauft wurde. Verkäufer und der Käufer waren praktisch ein und die selbe Person.
Als zweite Gesellschafterin fungierte eine Marina Eresko mit einem Prozent. Wahrscheinlich hatte sie den 1% Anteil, weil ihr Mann früher Direktor der RIAS Filiale in Vysselki war.
455.000 Tonnen Getreide betrug das Handelsvolumen der RIAS alleine in der südlichen Region des Landes.
In März 2010 hatte RIAS das Unternehmen VALARS GROUP Azov Grain Terminal gekauft. Nach Einschätzung von Fachleuten sollte dieses Geschäft mehr als 20 Millionen US-Dollar (15 Millionen Euro) gekostet haben. Somit hatte RIAS seine Position in den Südhäfen Russlands verstärkt.
RIAS besitzt mehr als 5% der Aktien (Anteile) in folgenden Unternehmen:
OAO Kubanchleboprodukt (84,95% der Aktien)
OOO Stavropolskaja Zernovaja Kompanija (20%)
OOO Agrosystems (100%)
OOO RIAS EXPO (20%)
OOO Grain Line (100%)
OOO Black Sea Export Company (100%)
OOO “Russkaja Zernovaja Kompanija” (100%)
OAO Krasnodarskij Chlebokombinat Nr. 1 (100%)
OAO Krasnodarskij Chlebozavod Nr. 6 (100%)
OAO Krasnodarskij Chlebozavod Nr. 3 (100%)
ZAO Mnogoprofilnaja Kompanija Agrokuban (100%)
OOO Azov Grain Terminal (100%)
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